„Die Jungs nehmen uns beim Basketball in der Pause immer den Ball weg“ oder „Wir möchten die Sitzordnung in unserer Klasse verändern“ – solche und andere Themen können nun im Klassenrat der 5. und 6. Klassen der Mittelschule Nord im bayerischen Fürstenfeldbruck besprochen werden. Er bietet einen Raum, in dem die Jugendlichen gemeinsame Aktivitäten und Aktionen planen, Lob für das Zusammenleben in der Klasse verteilen und aktuelle Probleme und Konflikte thematisieren.
Sie lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zu formulieren, anderen zuzuhören und respektvoll miteinander zu sprechen. Aber auch, sich an gewisse Regeln zu halten. „Am Anfang wollten immer alle auf einmal reden und niemand hat den anderen ausreden lassen“, berichtet eine Schülerin über die holprigen Anfänge. Doch lassen sich ihrer Meinung nach bereits Fortschritte erkennen: „Gerade ist es schon viel besser geworden.“
Basis für gelebte Demokratie
Das Konzept wird von den Lehrkräften, der Schulsozialarbeit und nun auch durch das Bundesprogramm Respekt Coaches umgesetzt. Seit dessen Beteiligung gebe es viel mehr Möglichkeiten, erzählt Benedikt Steinbach, Respekt-Coaches-Mitarbeiter beim Jugendmigrationsdienst (JMD) Fürstenfeldbruck: „Wir können so viel besser auf die Schülerinnen und Schüler eingehen.“ Der Klassenrat dient der Schule als wichtige Basis, um soziale Kompetenzen zu üben und demokratische Entscheidungsprozesse zu erleben. Nach und nach sollen die Jugendlichen mehr Verantwortung übernehmen, erklärt Steinbach. „Idealerweise gestalten sie den Klassenrat immer selbstständiger, sodass es unsere Unterstützung künftig gar nicht mehr braucht.“
Die eigenen Stärken erkennen
Ergänzt wurde der Klassenrat durch den Workshop „Stärken stärken“ der Resilienz-Trainerin Heike Schwarzgruber aus Gröbenzell im Landkreis Fürstenfeldbruck. Oftmals werden die Jugendlichen im Schulalltag auf Fehlverhalten und mögliche Schwächen reduziert und Lob und Anerkennung für die eigenen Stärken kommen zu kurz. In den Workshops konnten die Jugendlichen anhand von persönlichen Erfahrungen erkunden, was einen guten Charakter ausmacht und wie sie diesen in die Klassengemeinschaft einbringen können.
„Die Schülerinnen und Schüler sollten ermutigt werden, darüber nachzudenken, welche Stärken sie in sich tragen“, erzählt Benedikt Steinbach. Vielen sei das anfangs schwergefallen. Umso wichtiger war es, den Fokus gerade darauf zu legen. „Damit die Schülerinnen und Schüler mehr an sich glauben.“
Wertschätzung für die Eigenschaften anderer kommunizieren
Anschließend wurden die Stärken in einer Klasse gesammelt, sodass die Jugendlichen erleben konnten, auf welchen Stärkenschatz ihre Gemeinschaft baut. Mit dem Bewusstsein soll es ihnen leichter fallen, die individuellen Stärken einzubringen, beispielsweise bei der Planung gemeinsamer Aktionen. „Es geht dabei nicht nur um den schulischen Alltag, sondern auch den privaten Alltag mit Familie und Freunden“, erklärt Steinbach. Der Workshop „Stärken stärken“ ist in Kooperation mit der Jugendsozialstiftung Dr. Rieder aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck entstanden.
Stürzen ist okay: Mutig sein im Skatepark
Um die eigenen Stärken auch in der Praxis zu erleben, wurde das Programm mit einem Skateboard-Workshop in Kooperation mit dem Verein HIGH FIVE e. V. aus München abgerundet. Dafür wurde die Turnhalle der Schule in einen Skatepark umgewandelt. Bevor sich die jungen Menschen aufs Board stellen konnten, mussten sie mit den Coaches einen Deal eingehen. Dieser beinhaltete die Leitsätze: Ich kann das! Ich helfe anderen! Und ich lache niemanden aus und mache ihn schlecht!
Während des Workshops lernten sie das Kurvenfahren, das Bremsen und das kontrollierte Stürzen mit Schutzausrüstung. „Am Anfang war mir etwas mulmig“, gab eine Schülerin aus der 5. Klasse zu. „Aber dann habe ich gemerkt, dass ich mit der Schutzausrüstung auch mal hinfallen kann, ohne mir wehzutun. Danach habe ich mich viel mehr getraut!“ Nach jeder Challenge gaben sich die Jugendlichen gegenseitig ein „High Five“ und waren am Ende richtig stolz.
Kurz- und langfristige Erfolge
Der Erfolg der Angebote macht sich bemerkbar. „Am Anfang des Schuljahres war ich eher still und es gab viele verschiedene Freundesgruppen in unserer Klasse“, erzählt eine Fünftklässlerin. „Obwohl es natürlich auch Probleme gibt, sind wir zu einer guten Gemeinschaft zusammengewachsen und ich komme jetzt eigentlich mit allen Leuten gut klar.“
Auch Respekt Coach Benedikt Steinbach nimmt positive Veränderungen wahr. In den ersten Stunden des Klassenrats hatte er noch einen weiten Weg für die jungen Menschen gesehen. „Dann war ich doch erstaunt, wie schnell sie das Konzept verstanden und versucht haben, Konflikte zu lösen. Natürlich funktioniert nicht alles, aber besonders bei der Stärkung sozialer Kompetenzen hat sich sehr viel getan.“
Er betont dabei die Gemeinschaftsarbeit des Bundesprogramms Respekt Coaches, der Schulsozialarbeit und der Lehrkräfte und, „dass der Erfolg sich dadurch ergibt, dass wir langfristig arbeiten und nicht nur punktuell. Wir versuchen, über Jahre das Schulklima insgesamt zu verbessern, dass sich Schülerinnen und Schüler an der Schule wohlfühlen.“
Text: JMD Fürstenfeldbruck / Servicebüro Jugendmigrationsdienste